ursprünglich veröffentlicht am 14. Januar 2017
(geschrieben von Lex)
Es ist immer komisch, wenn sich eine einstige Lieblingsband nach eher enttäuschenden Alben und einer langen Pause zurückmeldet. Trotz anfänglicher Bedenken hat sich unser Sexylexy aber auf die Socken gemacht, um zu sehen ob auf dem Totenmond noch ein Feuer Licht bringt.
Zu Beginn macht mein Fanherz (oder was davon nach 8 Jahren Pause und zwei eher mittelprächtigen Alben übrig ist) einen Hüpfer. Der Opener „Die Entheiligung Des Blasphemischen Josef Und Der Ewige Regen“ beginnt sehr langsam, mit Naturgeräuschen, tropfendem Wasser und einem dezenten Bassgeschwurbel bevor es beginnt zu regnen. Sind etwa meine alten Totenmond zurück, die ich mit sperrigen Kunstwerken wie Lichtbringer oder Fleischwald verbinde?
Die Antwort lautet wohl „Na ja, hast du Depp das wirklich erwartet? Eher Jein“, das Riff erinnert an „Die Schlacht“, der Flüstergesang eher an „Necrophiler Sonntag“… aber Totenmond sind lange genug dabei sich selber zitieren zu dürfen, oder? Bemerkenswert ist dabei, wie die Stimme von Fronter Pazzer sich von Strophe zu Strophe von Flüstern und Reden zu Schreien steigert bis der Donner den Startschuss gibt für die immer noch sehr intensive Musik der Schwaben. Dabei fällt sofort auf, dass der Sound aus dem Krullschen Masterstudio auf schlechter Hardware leider nicht sehr druckvoll sondern etwas matschig ist. Warum auf schlechter Hardware? Weil eine gute Produktion auch aus einer Laptopsoundkarte was rausholen können sollte. Oder aus einem Handy. Aber dafür grooven Totenmond wie-die-Sau! Das hat zwar logischerweise nicht mehr viel mit den hässlichen Wutklumpen der ersten drei Alben zu tun, aber macht dafür unheimlich viel Spaß.
Spaßig geht es weiter, „Hölle Mit Hof“ beginnt wie eine Mischung aus „Panzerdampf“ von der Reich in Rost in Verbindung mit dem Atari Teenage Riot Megaphon und steigert sich zu einem Ungetüm wo zumindest ich durchaus eine fette Oi!/Streetpunk Schlagseite raushöre. Vielleicht liegt das auch daran, das Pazzer in dem Song stellenweise ein wenig wie Teufel von Berliner Weisse klingt.
„Blut Auf Krank“ entpuppt sich als waschechte Überraschung, denn es klingt wie ein Bastard das Liebeskind der Frühwerke der Buben aus Backnang und der Fliehenden Stürme. Und das ist richtig heißer Scheiß! Und schreit nach mehr. Mein persönlicher Favorit auf der Scheibe.
Umso verwunderlicher, dass „Kehrwoche“ daraufhin neben Koksgeräuschen als Intro und einem sludgedoomigen Einstand direkt als zweiter Teil von „Landeinwärts“ auf der Reich in Rost durchgehen könnte um dann von schwarzmetallischen Sägeriffs getragen zu werden. Abwechslung scheint Trumpf zu sein, jedenfalls klingt trotz des Konglomerats verschiedenster Einflüsse alles wie aus einem Guss.
Aber es gibt neben der Produktion noch zwei weitere Mankos, sie hören auf „Tötet Den König“ und „Zu Den Waffen“. Bei ersterem klingt Pazzers Vorliebe für Eisenvater durch, bei letzterem kann man nur von einem Selbstzitat ohne Mehrwert sprechen – es klingt quasi so sehr nach Auf Dem Mond Ein Feuer, dass es sich wie eine Coverversion anfühlt. Schade – aber laut „Waschzettel“ wurde das Album innerhalb kürzester Zeit eingeprügelt, vielleicht hätten die Jungs sich mehr Zeit lassen sollen.
„Fort Von Gott“ klingt Anfangs wie eine Mischung vom Intro zu Rammsteins „Klavier“ und „Bite Of God“ von Die Form bevor Schwinnedrums einsetzen und ein Midtempostampfer sich die Ehre gibt. Hier und im achten Stück, „Giftköder“, werden die Texte für Totenmondsche Verhältnisse relativ klar und politisch („Wir brennen nach Norden für unser Versteck /Fegen den Teer und rauchen den Dreck /[…] Lichter lieben Lügen für immer bis gleich /Wo braune Geister schleichen kann töten keine Sünde sein“ – aus Giftköder) und führen das bewährte Rezept „Totenmond plus X“ fort.
Einerseits finde ich es doof, dass Totenmond mittlerweile plakativ ihre antifaschistische Haltung nach außen kehren („Antifaschistische Satanistische Kunst“ – Leute, euer Ernst? Wie alt seid ihr? 14?) – mir hat es da immer gereicht die Musik zu hören und mich wenigstens oberflächlich mit den Texten zu beschäftigen um zu merken, dass die Jungs nicht rechtslastig sind – aber vermutlich macht man sowas heute nicht mehr.
Doch bevor ich weiter abschweife kommt eine fürwahr unerwartete und schrägliche Coverversion. Es werden tatsächlich Deep fucking Purple mit „Into The Fire“ gecovert. Auf Englisch. Das erinnert mich zeitgleich an Laibachs „Geburt einer Nation“ und Rammsteins „Stripped“, wobei sich Pazzers Aussprache leider deutlich an letzterem orientiert. Einem Classic Rock Fan dürften sich die Fußnägel bis zum Knie hochrollen, ich freu mir nen Ast, da das Ganze trotz (un?)freiwilliger Komik eine Menge Stil hat und Spaß macht.
Nach dem nicht minder merkwürdigen Outro bleibe ich ratlos zurück. Der ganz große Wurf ist die Scheibe nicht geworden – Totenmond sind eingängig geworden, das alleine verstört mich nachhaltig. Die musikalische Weiterentwicklung ist dennoch beeindruckend, ebenso wie die vielfältigen Einflüsse unter einen Hut gebracht werden und dennoch homogen klingen. Ich als alter Fan bin halbwegs versöhnt, ich hoffe auf weitere Monde – ABER ich glaube, dass Totenmond aus dem schwierigen Verhältnis von Pazzer und Garcia (Bass bis Reich in Rost) unheimlich viel Kreativität gezogen und letztendlich die besseren Stücke geschrieben haben.
*edit*
Nachdem ich heute im Büro mehrfach Schreien wollte, dass der Regen der Teufel war bleibt mir nichts andere übrig als wegen des unglaublichen Ohrwurmcharakters einen dicken Bonuspunkt zu vergeben.
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