ursprünglich veröffentlicht am 2. Oktober 2016
(geschrieben von Christoph)
Was trennt ein sehr gutes Album von einem legendären Album? Das mag von Fall zu Fall unterschiedlich sein, bei OATHBREAKER können wir das jedoch konkret nachvollziehen. „Eros|Anteros“ war voller ausgezeichneter Ansätze, vermischte Black Metal-Versatzstücke mit AMENRA und CONVERGE-Verneigungen, schaffte es aber nicht über die ganze Spieldauer hinweg zu überzeugen. Drei Jahre später ist die junge Band aus Gent zurück und liefert ein Werk ab, das auf der Intensitätsskala am Maximum steht. Und das ist genau der Unterschied zwischen der sehr guten Band, die OATHBREAKER bisher waren, von der potentiell legendären Band, die sie mittlerweile sind. „Rheia“ geht durch Mark und Bein, liefert schneidende Black Metal-Riffs, irre Blast Beats, aber auch viel Abwechslung.
„Rheia“ ist eine emotionale Berg- und Talfahrt, die wilden Momente werden immer wieder durch schleppend-langsame, bald sludgige Einschübe oder sogar leise, zerbrechliche Teile unterbrochen. Das lässt „Rheia“ bis zu einem gewissen Grad unberechenbar werden, gleichzeitig hat das Album einen stringenten Fluss, auf den man sich einlassen muss, der einen mitreißt und wegspült. Caro Tanghe, OATHBREAKERs Sängerin war bisher durch ihre kräftige, brutale Screamstimme aufgefallen, mit ihrem Cleangesang ging sie bisher sparsam um, obwohl sie auch hier viel Können zeigt. Auf „Rheia“ halten sich nicht nur Screams und klarer Gesang die Waage, es wird enorme Variablität und Experimentierfreude an den Tag gelegt. In „Being Able To Feel Nothing“ lässt sich Caro offen von Julie Christmas inspirieren – der vermutlich einzige Kritikpunkt an diesem Album -, in „Immortals“ werden Effekte eingesetzt, so dass ihre schwebende Stimme nach THE MARS VOLTA klingt. Das ist definitiv abgefahren, wird aber nicht zu sehr übertrieben – die Effekte bringen Farbe ins Spiel, übernehmen keine Führungsrolle. Dass Caros Screamgesang auch auf ein neues Level gehoben werden kann, zeigt schon „Second Son Of R.“, bei dem sie am Schluss derart explodiert und so krankes Geschrei loslässt, dass dem Hörer die Kinnlade runterklappt. Versprochen.
In Sachen Songwriting sind OATHBREAKER enorm gewachsen, nicht nur in Sachen instrumentaler Darbietung präsentieren sich die drei Instrumentalisten als absolut seetauglich, die Gitarrenarbeit ist zweckdienlich, aber auf höchstem Niveau. Lennart Bossu zaubert schneidende Riffs, melancholische Leads, häuft zahlreiche, aber niemals zu viele Schichten, so dass die Songs stets komplex, aber nachvollziehbar bleiben. Drummer Ivo Debrabandere sorgt dafür, dass jeder hören kann, wie stark OATHBREAKER nach wie vor im Hardcore verwurzelt sind; er spielt kompromisslos und mit enorm viel Power. Zusammen erschaffen OATHBREAKER Songs, die sofort süchtig machen, nach der ungefilterten Emotion zwischen Wut und Verzweiflung, als katharsisches Erlebnis. „Second Son Of R.“, „Needles In Your Skin“ und „Where I Live“ gehen derart unter die Haut, wie ich es im Jahr 2016, wo alles ausgelutscht erscheint und wo alles schon mal da war, nicht mehr für möglich gehalten hätte. Gleichzeitig sind der semi Accapella-Opener „10:52“, das halbakustische „Stay Here / Accroche-Moi“, das Ambient-Stück „I’m Sorry, This Is“ und das abschließende, düster-atmosphärische „Begeerte“, die allesamt stark von Caros unglaublicher Performance geprägt werden, ebenso intensiv wie die brutalen Nummern.
„Rheia“ ist ein einziger Siegeszug. OATHBREAKER mischen mit ihrem Hardcore-Background den Post Black Metal-Bereich komplett auf, legen selbst in den leisen und traurigen Momenten ein enormes Maß an Energie an den Tag. „Rheia“ ist ausgezeichnet produziert, lässt keine Sekunde Langeweile aufkommen, wirkt nicht gehetzt und ist in jeder Hinsicht unglaublich intensiv geworden. Fuck yeah, OATHBREAKER, euch gehört die Zukunft.
Umhauen lassen:
https://oathbreakerband.bandcamp.com/album/rheia#
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