Puh, FER DE LANCE! Nach meiner eskapistisch motivierten Begeisterungsorgie über euer erstes Album "The Hyperborean" ist viel passiert in der Welt, u.a. sind drei Jahre vergangen, und Musikgeschmack und Gefühlswelt haben sich bei mir dann doch wieder etwas weg entwickelt vom traditionellen Epic Metal. Warum ich mich eurer dann doch wieder annehme? Na, weil ihr es einfach könnt!
Artikel ansehen
Zusammenfassung ansehen
FER DE LANCE: Fires On The MountainsideSchon der das Werk eröffnende Titeltrack liefert alles, was die Band kann: unwiderstehliche Melodien, von denen unserereiner einfach nicht genug bekommt in diesem Leben, kraftvoller Gesang, majestätische Chöre. Diesmal passt die Produktion dann auch perfekt dazu, ja, hier haben
FER DE LANCE am meisten draufgelegt: Das klingt alles so klar und kraftvoll, voll und warm, aber zum Glück immer noch dreckig genug, um nicht im Einheitsbrei der „großen“ Bands zu versinken; man hat lediglich von den Fehlern, die
„The Hyperborean“ diesbezüglich hatte, gelernt.
Besonders schön finde ich auch die Integration der akustischen Gitarren und der Percussions, die nicht nur durchweg im Mix strahlen, sondern auch ein ums andere Mal mit ihren Arrangements für ein südländisches Flair sorgen („Fire & Gold“), das FER DE LANCE gut zu Gesicht steht (und dem sie mit „Tempest Stele“ abschließend auch rhythmisch Genüge tun – eine willkommene Abwechslung). Gemeinsam mit den dezent vorhandenen Black-Metal-Einflüssen entsteht so eine angenehm eigenständige Melange aus
BATHORY und
MANOWAR – die aber diesmal klar in Richtung der Amis ausschlägt.
Kompositorisch wagen es FER DE LANCE erneut, auf massive, große Kompositionen und damit auf Langlebigkeit ihrer Musik zu setzen – und weniger auf flotte Singalongs, sieht man mal vom Opener und vom sehr eingängigen „Children Of The Sky And Sea“ ab, das mit seiner Hard-Rock-Atmosphäre auf dem Album leider etwas deplatziert wirkt, aber natürlich für sich genommen ein hervorragender Song ist. Und da „Fires On The Mountainside“ insgesamt eben sehr schwer, stampfend und episch daherkommt, ist so eine Auflockerung sicherlich nicht verkehrt.
Krieg und Frieden
So machen FER DE LANCE eigentlich alles richtig, passen aber mit ihrem heroischen Sound nicht mehr ganz in meine Lebenswelt und Wahrnehmung, die nämlich von Heroik, Krieg und Kriegstüchtigkeit gehörig die Schnauze voll hat und sich permanent fragt, wann die Menschen endlich raffen, dass Aufrüstung und Wehrpflicht mitnichten dem Frieden dienen, und dass „Freiheit“ als solche auch nach einem Atomkrieg in einem Brachland voller Kakerlaken ja tatsächlich existiert – allerdings eben nur noch für die Krabbelviecher.
Wer von „Freiheit“ spricht, bemüht dann auch gerne das Gerede von „unserer Art zu leben“, eine Schimäre, die so dämlich daherkommt wie es das bürgerliche Vorurteil früher mal vom Heavy Metal dachte, denn wer ein solches „Wir“ konstruiert, war vermutlich noch nie außerhalb eines Biomarkts einkaufen oder mit offenen Augen und Ohren in einer Großstadt-Straßenbahn unterwegs und hat dementsprechend dann auch herzlich wenig Ahnung von den realen Lebensumständen in einer postmodernen Klassengesellschaft.
Oder will die gar nicht haben und bastelt sich seinen eigenen Eskapismus: Weil die Welt so schwierig, finster und grausam ist, dass es kaum auszuhalten ist, imaginiere ich mir einen fiktiven Ort, ein „Europa der Werte“ z.B., in dem etwa Obdachlosigkeit, Armut und die regelrecht epidemische Ausbreitung psychischer Erkrankungen und Persönlichkeitsstörungen nicht etwa die logische Folge eines menschenfeindlichen Wirtschaftssystems sind, sondern lediglich das beklagenswerte Ergebnis dummer Einzelentscheidungen darstellen, von Menschen, die einfach nicht verstehen wollen, dass sie in der besten aller Welten leben, voller Werte, Frieden und Freiheit, die verteidigt gehören, mit aller Kraft, allem Geld, aller Macht, die man so hat; bis alles in Scherben liegt und Frieden und Freiheit endlich überall herrschen.
Aber es geht doch um Musik?!
Nein, dann doch lieber Heavy Metal und zurück zu FER DE LANCE: denn die haben es meines Erachtens nun wirklich nicht verdient, von meiner dezent apokalyptischen Verbitterung übertönt zu werden. Und hat Heavy Metal in seiner besten Form nicht auch immer so ein dunkles, schwermütiges Moment, das die in ihm häufig enthaltene Kriegsverherrlichung wieder konterkariert? „Fires On The Mountainside“ jedenfalls hat das, ja, man kann Texte wie die vom Titelstück oder von „Death Thrives (Where Walls Divide)“ sogar als eine kritische Auseinandersetzung mit aktuellen Konflikten und ihrem Umgang damit lesen:
Ancient nations facing one another
And fear spreads, never to make peace
Outside the walls, there lies our enemy
And inside, old lies spoken never cease
Man kann sie natürlich auch ganz anders lesen, aber warum sollte ich. Fest steht: „Fires On The Mountainside“ ist ein großer Schritt für eine der besten Bands überhaupt in diesem Genre und eine dringende Empfehlung für alle, die auch nur irgendwas mit dem wahren Heavy Metal anfangen können.
Spielzeit: 48:57 Min.
Veröffentlichungsdatum: 27.06.2025
Label: Cruz del Sur
FER DE LANCE „Fires On The Mountainside“ Tracklist & Cover