"Der Urisk ist nach schottischen Überlieferungen ein Mischwesen aus Ziege und Mensch, aber kein Satyr. Er lebt in Quellen, Seen, Teichen und Wasserfällen in den schottischen Highlands. Beschrieben wird er als ein sehr einsames Wesen, das sich nach menschlicher Gesellschaft sehnt. Sein unheimliches Aussehen soll Menschen verschrecken." So steht's bei Wikipedia, und so sieht er auch aus, der liebe Urisk, auf meinem T-Shirt, das ich dieser Band zu Ehren trage, wie immer hervorragend gezeichnet vom wunderbaren Joan Llopis.
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URISK: Shrivelling Lights [Eigenproduktion]Und ist es nicht auch wirklich ein herrliches Sinnbild für den jugendlichen Metal-Nerd, der die meisten von uns wohl mal waren? Die wir uns zwar nach Gesellschaft sehnten, diese aber gleichzeitig nur schwer ertrugen? Und die wir sowieso auch gar nicht so sehr brauchten, denn wir hatten ja uns und unsere Musik, und damit waren wir schon ziemlich erfüllt und sind es noch, oder etwa nicht?
Ja, allein durch die Namensgebung hat die Bonner Band
URISK schon einen Stein bei mir im Brett, aber da ist noch so viel mehr: Die Musik ist exzellent komponiert, ausgeführt und aufgenommen, und das alles auch noch selber und zuhause (Mastering: Sunsetter Studio), von Menschen, die sich explizit antifaschistisch positionieren. Dazu dann noch dieser unglaubliche Kontrast am Gesang: denn wer diesen zum ersten Mal hört, wird es evtl. kaum glauben, dass er von einer zierlichen jungen Frau stammt, so finster, brutal und kraftvoll tönt es aus den Lautsprechern. Ja, Marleen Bügener liefert hier eine der besten Black-Metal-Gesangsperformances ab, die ich je gehört habe, und sie schafft es sogar noch, zwischendurch melodischen, vielseitigen Gesang einzuflechten. Fantastisch!
Den braucht es auch, zumindest wenn man, wie ich, auf Hooks angewiesen ist, um ein Album mehrfach zu hören. Und die Musik von Benedikt Brixius macht es mir da erstmal nicht leicht, da sie sich durchaus „progressiv“ und also recht sperrig gibt. Ohne mehrfache Durchläufe geht hier also nichts, aber wenn man sich dann darauf eingelassen und eben den ein oder anderen Widerhaken geschluckt hat, offenbaren sich immer mehr Details und Schönheiten.
Nur Mut: „Shrivelling Lights“ belohnt intensives Hören
Schon die zärtlich-melancholische Bass-Melodie, perfekt abgemischt, direkt im ersten Song „Moonburnt“, setzt einen dieser melodischen Kontrapunkte zu dem dissonanten Chaos, das URISK sonst gerne entfachen. Solche haben mir auf dem Demo noch gefehlt; hier sind sie vorhanden, und sie öffnen das Herz für die Rhythmen und die Riffs und den Gesang, in denen soviel Wut und Verzweiflung steckt und soviel kompositorische Finesse, dass es für ein Debüt fast schon frech ist.
Im Ernst: URISK werden es schwer haben, „Shrivelling Lights“ zu übertreffen. Man gebe sich nur mal die Minuten drei bis fünf von „Grip Of Fog“, in denen soviel Musikalität und Gefühl steckt, diese packende Progression vom traurigen, aber bestimmten Klargesang hin zur totalen Raserei, auf einem Fundament aus verspielter Rhythmik – es ist einfach meisterhaft. Danach dann die Ode auf den „Urisk“ selbst, beginnend mit einer tänzelnden Melancholie, die Schönheit und Unbeholfenheit perfekt ausdrückt. Sie wird sich nach drei Minuten wiederholen, eingeleitet von einer brutal emotionalen Steigerung im Gesang, zu der ich stehend applaudieren möchte.
Den Großen mindestens das Wasser reichen
Wem das alles noch nicht reicht: URISK haben mit den ersten Minuten von „Harbinger Of Despair“ eine für die Gesamtwirkung dieses Albums geradezu essentielle wehmütige Verschnaufpause eingebaut (gefolgt von, ja, einem Crust-Part, geil!), was erneut ihre kompositorische Klasse zeigt. Dazu kann Brixius auch noch Gitarrensoli, und das Drumming des Finnen Filip Gäddnäs, das dieser in seinem eigenen Studio eingespielt hat, lässt ebenfalls keine Wünsche offen. Mittlerweile sind URISK zu einer kompletten Live-Band angewachsen, und das nächste Album ist schon in Arbeit.
Und dieses Album, eine verdammte Eigenproduktion, ist mindestens so gut wie alles, was von großen und kleinen Labels ständig auf den Markt geschmissen wird. Für den URISK also rosige Zeiten, wenn das sensible Wesen es schafft, an der Aufmerksamkeit, die es nun hoffentlich überall erhält, nicht zu zerbrechen.
Spielzeit: 40:40 Min.
Veröffentlichungsdatum: 25.04.2025
Das Album auf BandcampURISK „Shrivelling Lights“ Tracklist
1. Moonburnt
2. Grip Of Fog
3. Urisk
4. Harbinger Of Despair
5. Shadow Of My Lunacy
6. An Eala Bhàn