10 Songs mit...Captain Planet01. Rodgau Monotones – “Volle Lotte”
Wenn du nicht in Hessen aufgewachsen bist, sondern in der norddeutschen Provinz, dann wirst du höchstwahrscheinlich nichts über die Rodgau Monotones wissen. Und das ist auch vollkommen okay so. Schwer gut gelaunte Lieder und leicht unangenehm humorvolle Texte sollten bei mir eigentlich schon dafür reichen, den Song schrecklich zu finden. Hinzu kommt ein geslappter Bass, ein fahriges Gitarrensolo und dann auch noch dieser vollkommen überflüssige, finale E-Drumwirbel. Warum also kriegt mich das ganze trotzdem? Zum einen waren die Rodgau Monotones wahrscheinlich die einzige deutschsprachige Rockband im elterlichen Wohnzimmer und somit für mich irgendwie verständlicher (zumindest in weiten Teilen). Zum anderen ist das einfach ein Wahnsinns-Refrain, den die Leute da gebastelt haben, mit sauschönem zweistimmigen Gesang. Stabile Gitarrenarbeit übrigens auch noch. Wer sich davon jetzt locken lässt, kann gleich auch noch “St. Tropez am Baggersee” hinterherschieben. Stark! RIP Ray.
02. Kelly Clarkson – “Since U Been Gone”
Okay, okay, ist schon klar. Wie alle anderen auch, verabscheue ich natürlich diese ganzen schlimmen, menschenverachtenden Castingshows und alles, was aus ihnen herausgekommen ist. Aber dieses Lied ist einfach so verdammt wunderschön, dass ich Gänsehaut bekomme, wenn ich nur daran denke. Da klingt einfach alles fantastisch und ständig passiert irgendwas Kleines irgendwo. Und dann kommt da dieser Refrain, der schon beim ersten Mal total doll ist und unglaublicherweise bei jeder Wiederholung immer doller wird, bis es dann in Minute 2:33 wirklich so frech doll ist, dass spätestens dann einfach jede:r fällig sein sollte. Hier werden keine Gefangenen gemacht!
03. Blind Guardian – “The Bard’s Song”
Ich danke meinem großen Bruder aufrichtig für diesen schrecklichen Song, den ich wirklich überragend finde. Mehr Singalong-Gemeinschaftsgefühl geht nicht. Und sowas kriegt mich einfach. Zack, 50 Sekunden und du fühlst dich nicht mehr ganz so allein. Da kann ich problemlos über das ganze parodistische Gitarrengegniedel hinwegsehen und finde sogar Rollenspiele für ein paar Minuten nicht mehr ganz so abwegig. Es erfüllt mich zudem immer ein wenig mit Neid, dass Renke von Zeitstrafe
Blind Guardian live in Tokio gesehen hat. Das sollte wahrscheinlich eigentlich auf jeder Konzert-Bucketlist stehen.
04. Dimple Minds – “Durstige Männer”
Deutschpunk hat neben vielen tollen Sachen auch einfach echt das dumpfeste dicke Hose-Mackertum hervorgebracht, dass die Musik in ihrer Jahrtausende umfassenden Geschichte ertragen musste. Und “Durstige Männer” zählt mit Sicherheit zur Top 10 dieser Schmach. Darf man das trotzdem auch gut finden? Weiß ich nicht. Ich erinnere mich aber noch genau daran, wie ich mit 11 heimlich das Dimple Minds-Tape meines großen Bruders entwendete und es begeistert meinem gleichaltrigen Cousin, seines Zeichens Pfarrerssohn, vorspielte. Er war sichtlich schockiert, dass Menschen so etwas überhaupt aussprechen konnten, ohne umgehend im Fegefeuer zu landen. Und ich war vollkommen überwältigt davon, wie doll Musik anecken konnte. Das war eine echt wichtige Erkenntnis, für die ich den Dimple Minds irgendwie dankbar bin. Unfassbar dumm ist es trotzdem.
05. Rocky Votolato – “Suicide Medicine”
Ich muss gestehen, dass ich mindestens 99 % dieses mittlerweile glücklicherweise aus der Mode kommenden Singer/Songwriter-Gesäusels wirklich schrecklich finde. Eine leuchtende Ausnahme ist (neben den ersten
Tigeryouth-Platten) “Suicide Medicine” von
Rocky Votolato. Das fängt ganz klein und kontrolliert an und wird dann immer drängender und spätestens ab dem zweiten Refrain glaubst du ihm jedes Wort. Das ist einfach so schaurig-traurig schön, dass das auch mich ganz easy weichklopft. Zudem ist der Song für mich verknüpft mit schaurig-traurigen Erinnerungen, so wie sich das bei echten Lovesongs gehört.
06. Operation Ivy – “Bad Town”
Wenn du wie der Großteil von uns in den 90ern in einem Dorf in Norddeutschland aufwächst, dann spielen da keine geilen Bands im AJZ des Ortes. Da gibt es kein AJZ und daher auch keine geilen Bands. Viele der Bands, die ich liebe, habe ich über Tapes von Freunden kennengelernt. Aber es gab noch eine weitere Quelle überragender Musiktipps, und zwar: Skatevideos. Besonders hervorzuheben sei hier “This is not the new H-Street video”. Da waren neben
Operation Ivy auch zum Beispiel die genialen Sub Society drauf. Und, ja klar, Operation Ivy sind natürlich insgesamt über jeden Zweifel erhaben, aber sie sind bei mir auch einfach die einzige Band, die sich Bläsereinsatz erlauben darf, ohne dass ich reflexartig die Stop-Taste betätige. Und jetzt “This is not the new H-Street video” anschauen und ab auf die Straße!
07. Life Of Agony – “Through And Through”
Die ganze Platte
“River Runs Red” ist echt ein gruseliges Meisterwerk. Das ist mir eigentlich alles viel zu viel Metal und beim Sound der Double-Bass kräuseln sich mir die Zehennägel. Aber in Zeiten, in denen die meisten Alben auf Klick eingespielt und total glattgebügelt werden, sollte man sich “Through And Through” anhören und sich davon begeistern lassen, wie mutig
Life Of Agony das Tempo einfach bei jedem neuen Teil anziehen oder drosseln, als wäre das völlig normal. So holen sie aus jedem Teil das Beste raus und spätestens bei der Zeile “Raise your hands if you understand” sind meine Arme in der Luft.
08. Billy Talent – “Surrender”
In den Punk-/Hardcore-Kreisen, in denen ich mich bewege, ist es nicht besonders en vogue zuzugeben, dass man
Billy Talent einfach saugut findet. Die sind irgendwie ein bisschen die Nickelback des Emo. Keine:r würde zugeben, dass sie Fans sind, aber alle können jeden Song mitsingen. Nur um das klarzustellen, bei Nickelback bin ich ernsthaft raus, aber an dem Vergleich ist vielleicht trotzdem was dran. Das mag bei Billy Talent auch ein bisschen bzw. ganz massiv an der Stimme liegen, die mir häufig auch einfach zu quietschig ist. Das alles kann ich aber total ignorieren, wenn ich auf der famosen Gitarrenarbeit lausche, die einfach wirklich total einzigartig ist und jede Menge riesige Ideen mitbringt. Eventuell, also ganz eventuell, habe ich das Gitarren-Songbook der
“II” zu Hause liegen. Vielleicht kommt ja, wie bei
Bruce Springsteen oder
Johnny Cash, auch irgendwann die Zeit, in der alle behaupten, sie hätten Billy Talent schon immer total großartig gefunden und es wäre eine maßgebliche Inspiration für sie gewesen. Spätestens dann hole ich mein Songbook raus und werde gerne öffentlich daraus vorspielen.
09. Helloween – “Eagle Fly Free”
Mindestens einmal im Jahr packt mich so eine komische Stimmung und dann muss ich an
Helloweens
“Keeper Of The Seven Keys Pt.II” ran. Tatsächlich ist die ganze Platte der Wahnsinn. Ich bin immer wieder begeistert, wenn Bands überhaupt keine Hemmungen haben einfach unglaublich dick aufzutragen und Helloween kennen da gar nichts. Da gibt es amtliche Chöre im Hintergrund, schier endlose Gitarren- auch Basssolos, ein Drumsolo mit Soundffekten und wenn man denkt, da geht nichts mehr obendrauf kommen ab 4:10min Fanfaren hinzu. Näher am Musical geht in der Rockmusik höchstens noch bei Meat Loaf. Vor meinem inneren Auge sehe ich dann Menschen in Fellstiefeln auf Pferden durch Herr der Ringe-Landschaften reiten und Streitäxte schwingen. Das ist quasi mein musikalischer Happy-Place und ich bin sehr dankbar, dass ich weiß, wie ich da hinkomme.
10. The Killers – “Mr. Brightside”
Als Emoboy waren mir Indie-Diskos immer suspekt. Da war immer so viel gute Laune in der Luft und alle haben ständig getanzt, auch wenn sie noch gar nicht richtig betrunken waren. Folglich müsste ich natürlich eigentlich auch diesem Indie-Disko-Pflichthit skeptisch gegenüberstehen. Dem ist aber nicht so. Auch wenn ich sonst mit den Killers nie warm geworden bin, ist das einfach ein überragender Song. Da wird gelitten, das scheppert und kracht. Schön! Besonders hervorzuheben sei hier das Schlagzeug. Das ist einfach mit so viel Freude und so dynamisch gespielt. Ich bin der Person, die das gemischt hat, auf jeden Fall auf ewig dankbar, dass das nicht total glattgebügelt wurde. Am allerschönsten ist der Moment bei 3:08min, wo alles einfach mal kurz auseinanderfällt und das Schlagzeug da so rumrührt als wäre alles andere egal. Stark!
Am 8. September erscheint mit
“Come On, Cat!” das neue
Captain-Planet-Album via Zeitstrafe.
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Captain Planet erschien zuerst auf
VISIONS.de.