KING DIAMOND verwandelte die Ludwigsburger MHP Arena in ein Irrenhaus, ANGEL WITCH ließen die New Wave of British Heavy Metal aufleben und PARADISE LOST erinnerten daran, dass sie den Begriff Gothic Metal einst prägten: Jeder der drei Bands entführte in eine andere Zeit.
KING DIAMOND, PARADISE LOST, ANGEL WITCH – 14. Juni 2025, Ludwigsburg MHP ArenaANGEL WITCH
Gut eine halbe Stunde Zeit hatten
ANGEL WITCH, den Abend zu eröffnen und das Publikum auf Betriebstemperatur zu bringen. Offenbar traf die Wahl der Supportband einen Nerv beim Publikum, denn schon beim ersten Song „Atlantis“ trieben sich nur noch wenige Leute vor der Halle im Sonnenschein, am Biertresen oder Merchstand rum. ANGEL WITCH-Sänger Kevin Heybourne freute sich mit einem breiten Grinsen über die ersten Reihen, die sich schon bei den ersten Zeilen des Openers überaus textsicher präsentierten, woran sich auch später nichts änderte.

Das Debütalbum „Angel Witch“ hat inzwischen 45 Jahre auf dem Buckel, der Altersdurchschnitt des Publikums dürfte etwas drüber gelegen haben. Gut 6.000 Fans passen in die MHP Arena in Ludwigsburg, schätzungsweise halb so viele waren gekommen, im Laufe des Abends sollten es auch nicht mehr werden. Auf der ANGEL WITCH-Setlist standen fünf der zehn Songs des „Angel Witch“-Albums. Eine kluge Wahl und eine kleine Geschichtsstunde in Sachen New Wave Of British Heavy Metal mit den wichtigsten Trademarks von der Mitsinghymne „Angel Witch“ bis zum komplexeren „Sorceress“.

Die Band hatte absolut Bock auf das Konzert, zeigte sich lebhaft und voller Spielfreude. Keine Selbstverständlichkeit, denn die Musiker sind inzwischen ja alles ältere Herren. Und sie gaben sich Mühe: Kevin Heybourne versuchte zwar, an der ein oder anderen Stelle erst in der originalen Tonhöhe zu singen, wechselte dann aber unauffällig eine etwas tiefere Lage. Das fiel überhaupt nicht negativ auf, im Gegenteil, sein entschuldigendes Lächeln machte es umso sympathischer. Mit langatmigen Ansagen hielt er sich nicht auf, die Zeit war schließlich knapp. Die Band füllte die große Bühne mit recht viel Bewegung und einem nostalgischen und herrlich altmodisch-simplen Bühnensetting aus Marshall JCM 800-Verstärkern, Boxen und Backdrop. Warum das Schlagzeug seitlich vom Backdrop auf der linken Seite stand, erklärte sich spätestens beim Headliner – für KING DIAMOND musste vieles im Hintergrund aufgebaut werden. Beim letzten Song „Angel Witch“ honorierte das Publikum die Briten für ihre engagierte Show mit lauten Chören und die Ohrwurm-Zeile „You’re an angel witch, you’re an angel witch“ begleitete wohl jeden in die Umbaupause – auf dem Weg vom Innenraum raus zum Getränkestand war sie sogar im Treppenhaus zu hören.
Setlist ANGEL WITCH- Atlantis
- White Witch
- Sorceress
- Angel of Death
- Angel Witch
Bilder-Gallerie ANGEL WITCH
vonMarkus14. Juni 2025
PARADISE LOST

Um das Fazit mal vorweg zu nehmen:
PARADISE LOST konnten als live an diesem Abend mehr als sonst überzeugen. Die Meinungen bei unserer Truppe gingen vor dem Auftritt auseinander und reichten von „Was will man schon erwarten, die haben in der Vergangenheit alles getan, um ihren Ruf als Liveband zu ruinieren“ bis zu „Die zeigen halt britisches Understatement, weil sie so stilprägend waren, dass sie es gar nicht nötig haben, viel Show zu bieten“. Auch PARADISE LOST hatten sich vorab offenbar Gedanken um die Setlist gemacht und packten erstaunlich viel altes Material drauf: Mit „Pity The Sadness“, „Embers Fire“, „Enchantment“ und „The Last Time“ riefen sie einige ihrer bis heute überragend guten Gothic Metal-Großtaten wieder ins Gedächtnis.
Irritierend war nur, dass auf der Bühne mehr Action war als davor – das Ludwigsburger Publikum zeigte sich merkwürdig reserviert. Insbesondere Greg Mackintosh (jetzt wieder mit längerem Haar und einer sehr schönen siebensaitigen Flying V-Gitarre) und Gitarrist Aaron Aedy boten auch was für’s Auge. Allerdings nur, solange es auch Licht auf der Bühne gab – die sehr simple Lightshow in Pink-Violett war so dunkel, dass man stellenweise nicht einmal das Backdrop sehen konnte, geschwige denn die Musiker. Fast könnte man meinen, die Band will das finstere Mittelalter und die Gotik auch optisch umsetzen. Gesprochen wurde so wenig wie Licht gemacht: Nick Holmes war noch nie ein Mann der großen Worte, auch in Ludwigsburg gab er sich wortkarg. Das düstere „No Hope In Sight“ kann allerdings auch ganz gut für sich alleine stehen, da muss man nicht viel dazu erklären.

Wieder mit dabei war übrigens
Schlagzeuger Jeff Singer, der im Juni für Guido Zuma wieder zur Band stieß – für den Konzertabend machte es keinen großen Unterschied, aber man kann sich wieder auf seine Tour-Tagebücher freuen, heute werden die natürlich auf Social Media statt der Webseite veröffentlicht. Insgesamt ein stimmiger Auftritt mit den besten Songs der Band – mit einer Ausnahme: Auf „Just Say Words“ am Ende hätte ich gut verzichten können. Viele andere freuten sich hingegen über den Track, es kam doch noch ein bisschen Bewegung ins Publikum, mitgewippt und mitgeklascht. Ich kann PARADISE LOST ihre Zurückhaltung nicht verübeln, wenn ausgerechnet dieser doch eher simple Song ohne Tiefgang die meisten Reaktionen bringt. Über einen anderen Song hätte ich mich gerade zum Abschluss des soliden Auftritts gefreut, das poppige „Just Say Words“ empfand ich als recht unpassend in der Death Doom Metal-lastigen Songsauswahl.
Setlist PARADISE LOST
- Enchantment
- The Enemy
- No Hope in Sight
- Pity the Sadness
- Faith Divides Us – Death Unites Us
- The Last Time
- Ghosts
- Embers Fire
- Say Just Words
Bilder-Gallerie PARADISE LOST
vonMarkus14. Juni 2025
KING DIAMOND

Während der Umbaupause versperrte ein großer
KING DIAMOND-Banner den Blick auf die Bühne, er wurde zum beliebten Selfie- und Gruppenfotohintergrund. Man musste sich mit der fotografischen Dokumentation des eigenen Da-Seins allerdings beeilen, denn die Pause war recht kurz, gemessen an dem, was KING DIAMOND und Band mitgebracht haben. Der Bühnenaufbau mit unglaublich vielen liebevollst gestalteten Details war überwältigend: Drei Ebenen, verschiedene Backdrops, Treppenaufgänge links und rechts, ein Drumriser, der seinen Namen verdiente, viele, viele Kleinigkeiten wie ein flackerndes Licht hinter einer der Zellentüren, das an- und ausging sowie zig Requisiten wie Puppen, ein Rollstuhl, verschiedene Särge und Messer – man wusste oft gar nicht, wo man überall hinsehen sollte! In seiner Opulenz wirkte das alles so aus der Zeit gefallen und so ungewohnt, dass KING DIAMOND ein leichtes Spiel hatte und das Publikum vom ersten Song in seinen Bann zog. Das neue Album „The Institut“ wird
seit über fünf Jahren angekündigt, inzwischen soll’s gar eine
Trilogie werden. Mit einem Video zu „Spider Lilly“ stellte KING DIAMOND Ende 2024 einen ersten Song seiner Horror-Trilogie vor – der Track fand sich, wie auch das 2019 veröffentlichte „Masquerade Of Madness“, auf der Setlist der aktuellen Tour.

Dazu gab es – Achtung Spoiler – im Laufe des Abends eine neue Maske (und wohl auch einen neuen Charakter?) zu sehen, zusammen mit den neuen Artworks auf den Backdrops und Tour-Shirts machte das alles ungeachtet der endlosen Ankündigungen wirklich neugierig auf neue Musik und die Geschichten aus dem mysteriösen Saint Lucifer’s Hospital in Jahr 1920, sogar dann, wenn man sich nicht zu den Die-Hard-Fans des Dänen zählt. Beide neuen Tracks fügten sich nahtlos in die Klassiker-Setlist ein, überhaupt war ziemlich faszinierend, wie die verschiedenen Storys an diesem Abend ineinanderflossen und zusammen eine neue Handlung bildeten.

Zur Liveband gehören die Gitarristen Andy La Rocque und Mike Wead, Bassist Pontus Egberg und Schlagzeuger Matt Thompson. Backing-Vocals und weitere gesangliche Unterstützung in den hohen Tonlagen kam von Hel Pyre, die
NERVOSA-Bassistin sprang für
MYRKUR ein, die ursprünglich angekündigt war. Kurz vor der Tour gab KING DIAMOND aber bekannt, dass sie nicht wie geplant bei der Tour dabei sein wird.

Hel Pyre macht wie die Herren an den Saiteninstrumenten und am Schlagzeug durchweg eine gute Figur, konnte aber lange nicht so viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen wie der King selbst, dessen Charisma auch mit 69 Jahren ungebrochen ist. Natürlich hatte sich vorab rumgesprochen, dass Kim Bendix Petersen (so steht’s im Pass des Dänen) heute seinen Ehrentag feierte und nach einigen Versuchen, die kläglich verebbten, klappte es endlich mit dem Geburtstagsständchen, lauthals intoniert von den Fans zwischen zwei Songs. Der King und die Band freuten sich sichtlich über diese ungeplante Einlage, bevor es im Set weiter ging.

Ab und zu tauchte eine weitere Darstellerin auf der Bühne auf, mal in unschuldigem Weiß, mal in Schwarz mit wirrem Harr und irrem Gesichtsausdruck. Ihre Performanace wirkte ebenso sorgsam choreografiert wie das Treppauf und Treppab der Musiker. Nur wer ganz genau hinsah, entdecke am Bühnenrand Stagehands, die Regieanweisungen gaben, Requisiten reichten und so sehr, sehr unauffällig dafür sorgten, dass auf der Bühne alles wie geplant funktionierte. In Szene gesetzt war alles von einer stimmungsvollen Lightshow (Hallo, PARADISE LOST – habt ihr das gesehen – so geht das mit dem Licht?!) und differenziertem Sound. Der war übrigens den ganzen Abend wirklich gut und nicht übertrieben laut. Ein rundum gelungenes Konzert, bei dem es viel, sehr viel zu sehen gab – so viel, dass manchmal vielleicht sogar die Musik ein wenig in den Hintergrund gedrängt wurde. Aber die kann man sich ja zu Hause nochmal ganz in Ruhe anhören. Die Bilder dazu lieferte KING DIAMOND bei dieser Tour.

Setlist KING DIAMOND
- Funeral
- Arrival
- A Mansion in Darkness
- Halloween
- Voodoo
- „Them“
- Spider Lilly
- Two Little Girls
- Sleepless Nights
- Out From The Asylum
- Welcome Home
- The Invisible Guests
- The Candle
- Masquerade of Madness
- Eye of the Witch
- Burn
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Bilder-Gallerie KING DIAMOND
vonMarkus14. Juni 2025